17. Oktober 2024

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Ärztlicher Bereitschaftsdienst

Dr. Miller: „Wir müssen uns neuen Versorgungsrealitäten stellen“

Dr. Wolfgang Miller, Präsident Landesärztekammer Baden-Württemberg© Landesärztekammer Baden-WürttembergDr. Wolfgang Miller, Präsident der Landesärztekammer Baden-Württemberg

Stuttgart, 18. Oktober 2024. Laut Medienberichten ist in Baden-Württemberg die Schließung weiterer Bereitschaftspraxen der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) – weitläufig bekannt als „Notfallpraxen“ – geplant. Am Montag will die KVBW der Öffentlichkeit offiziell ihr neues Standort-Konzept hinsichtlich des Bereitschaftsdienstes vorstellen. Der Präsident der Landesärztekammer Baden-Württemberg, Dr. Wolfgang Miller, nimmt Stellung zur gegenwärtigen Situation:

„Die Stimmung ist aufgeheizt. Unsere Gesundheitsversorgung und wie es mit ihr weitergeht ist ein Thema, das die Menschen umtreibt. Ob in der Arztpraxis, im Krankenhaus oder unterwegs zum Notfall: Wir Ärztinnen und Ärzte ‚ziehen an einem Strang‘, um die Menschen im Land zu versorgen. Auch und gerade in Zeiten knapper werdender Versorgungs-Ressourcen eint uns alle – egal, wo, wann und wie wir ärztlich tätig sind – das Ziel, für unsere Patienten da zu sein. Auch in der Corona-Pandemie haben wir bewiesen, was Ärztinnen und Ärzte leisten können.

Unbestritten ist, dass der Gesundheitssektor vor massiven Veränderungen steht. Der demographische Wandel schließt die Ärzteschaft mit ein. Viele Ärztinnen und Ärzte werden in absehbarer Zeit in den Ruhestand gehen. Gesetzliche Regelungen und Bürokratie erschweren jungen Ärztinnen und Ärzten die Niederlassung, Teilzeit-Arbeitsmodelle etablieren sich. Der Ärztemangel wird also spürbarer. Und die Zeit, die Ärztinnen und Ärzten für die direkte Patientenversorgung zur Verfügung steht, nimmt auch durch eine fehlende Versorgungssteuerung ab. Die Wege, die Patienten in Kauf nehmen, um zur Ärztin oder zum Arzt zu kommen, werden in Zeiten überfüllter Arztpraxen und reformbedürftiger Krankenhäuser länger. Die Krankenhausreform, die geplante bundesweite Notfallreform und auch die Neuordnung des ärztlichen Bereitschaftsdienstes in Baden-Württemberg haben das Ziel, die Versorgung aufrechtzuerhalten. Letztlich ist die geplante Umstellung im ärztlichen Bereitschaftsdienst nicht Ursache, sondern Symptom all dieser Veränderungen im Gesundheitswesen. Die Ärztekammer unterstützt alle Maßnahmen, die darauf hinarbeiten, dass die Menschen im Land schnell und unkompliziert ärztliche Hilfe erhalten.

Fest steht, dass wir uns als Gesellschaft neuen Versorgungsrealitäten stellen müssen. Der neue Versorgungsgrundsatz, für den sich die Landesregierung starkmacht, lautet ‚digital vor ambulant vor stationär‘. Die Landesärztekammer unterstützt dieses Konzept. Es sorgt dafür, dass ärztliche Ressourcen zielgenau dort eingesetzt werden, wo man sie braucht. Wir müssen die Bürgerinnen und Bürger nun aktiv unterstützen auf dem Weg in die richtige Versorgungsebene - dazu gehört auch die Telemedizin. Die Landesärztekammer Baden-Württemberg hat 2017 als erste wegweisend für ganz Deutschland diese Möglichkeit eröffnet. In den Praxen und Kliniken wird das in guter Zusammenarbeit zunehmend gelebt. In der Notfallversorgung ist dies bislang nur bei einzelnen Pilotprojekten der Fall. Das muss weiterentwickelt werden.

Perspektivisch wird es auch darum gehen, das Thema ‚Gesundheitskompetenz‘ noch mehr in der Bevölkerung zu verankern. Bürgerinnen und Bürger sollen darin bestärkt und gefördert werden, Gesundheitsinformationen zu finden, richtig damit umzugehen und ihren Lebensstil zum Gesunden hin zu verändern. Auch das spart Ressourcen und entlastet das System. Die Ärztekammer ist an vielen Stellen aktiv, um das Thema voranzubringen.  

Es wird intensiv nach Lösungen gesucht, wie man mit den veränderten Versorgungsrealitäten umgehen kann. Wir brauchen intelligente Strukturen und verbindliche Rahmenbedingungen. Einfach so weitermachen – das ist nicht zukunftsfähig. Deshalb sehen wir die aktuelle Anpassung auch als Chance, um neue Lösungen zu finden.“