17. November 2024

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Gesundheitsreformen, ärztlicher Bereitschaftsdienst, Gebührenordnung für Ärzte uvm.

Vertreterversammlungen der Bezirksärztekammern

Symbolbild: Ärztegruppe steht zusammen© Adobe Stock / Iryna

Die anstehenden Gesundheitsreformen und was nach dem Bruch der Ampel mit ihnen geschieht – diese Frage stand Mitte November im Zentrum der Vertreterversammlungen der vier Bezirksärztekammern im Südwesten. In Ihren Berichten zur aktuellen Lage griffen die Präsidentinnen und Präsidenten eine Fülle weiterer Themen auf, darunter die Reform des ärztlichen Bereitschaftsdienstes oder auch die dringend notwendige Novelle der Gebührenordnung für Ärzte. Die Spitzenvertreter der ärztlichen Selbstverwaltung boten ihren Delegierten damit die Grundlage für fachliche Debatten und darauf aufbauende Beschlüsse.

So informierte Nordbadens Kammerpräsident Prof. Dr. Christof Hofele in Karlsruhe unter anderem über die geplanten Initiativen und Gesetzgebungsvorhaben zur Aufrechterhaltung einer adäquaten medizinischen Versorgung der Bevölkerung im Hinblick auf die massiven Veränderungen im Gesundheitssektor, insbesondere im Zusammenhang mit dem spürbaren Ärztemangel. Bei der Vielzahl von aktuellen Gesetzgebungsvorhaben sei zwar durchaus Reformwille zu konstatieren, allerdings fehle es in vielen Bereichen an Planungssicherheit. Benötigt würden intelligente Strukturen und verbindliche Rahmenbedingungen.

So betonte Prof. Hofele, es sei beispielsweise auch im Hinblick auf die geplante Vorhaltefinanzierung im Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz nicht absehbar, ob aufgrund der weiterhin enthaltenen falladäquaten Vergütungsanteil der Hamsterradeffekt nicht erhalten bleibe. Das Geflecht der Krankenhausfinanzierung aus DRG-, Psych- und Pflegebudget mit individuellen Entgelten und Zu- sowie Abschlägen, Fixkostendegressionsabschlag und Erlösungsausgleichen etc. würde nochmals komplexer und schwer steuerbar.

In Freiburg wies Südbadens Kammerpräsidentin Dr. Paula Hezler-Rusch unter anderem darauf hin, dass sowohl Ärztinnen und Ärzte als auch die Ärztekammer nicht im politikfreien Raum agierten: „Wir als verfasste Ärzteschaft haben für die demokratischen Rechte einzustehen, heute nicht weniger als zu anderen Zeiten. Das können wir, das müssen wir. Wir sind eine gut organisierte Körperschaft mit engagierten und kompetenten hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und ebenso engagierten Ärztinnen und Ärzten in der Versorgung und im Ehrenamt.“ Dabei erinnerte sie daran, dass Erderwärmung und Umweltzerstörung den Planeten und die Menschheit bedrohten. Zudem seien Kriege, Morden, Terror, Gewalt und Unrecht, Verbrechen gegen die Menschlichkeit in der Welt erneut und immer mehr verbreitet.

Dr. Hezler-Rusch ging neben ökonomischen und gesellschaftlichen Fragen besonders auf die medizinische Versorgung ein. Die hier vorherrschenden Probleme seien immer brennender, bedrohten die vernünftige Arbeit von Ärztinnen und Ärzten sowie ein vernünftiges Auskommen in den Praxen und bringe die Kliniken in die Insolvenz.

Nordwürttembergs Kammerpräsident Dr. Jürgen de Laporte sagte in Stuttgart unter anderem, sein Haus wolle mithelfen Mut zu machen in der aktuell unübersichtlichen wie vielfältigen Realität des Gesundheitswesens. – Patientinnen und Patienten wollten ihre Bedürfnisse und Beschwerden sowie ihre Befindlichkeiten häufig sofort gelöst und behandelt bekommen. Wenn das alle gleichzeitig wollten, werde es jedoch schwierig. Dagegen stehe zudem ein Mangel an regelmäßig zur Verfügung stehender ärztlicher Arbeitszeit. Denn auch auf der ärztlichen Seite gebe es berechtigte Optimierungswünsche, beispielsweise hinsichtlich Work Life Balance.

Mit Blick auf grundlegende Veränderungen der ärztlichen Versorgung rief Dr. de Laporte seinen Zuhörern ins Gedächtnis, dass eine qualitativ hochwertige medizinische Versorgung ein Grundbedürfnis der Menschen sei. „Wir als Ärzteschaft müssen mit dem Vertrauen, das uns entgegengebracht wird, sorgfältig umgehen.“ Denn andere Berufsgruppen stünden längst in den Startlöchern, zumal mit zunehmenden Versorgungsschwierigkeiten aufgrund ärztlichem Personalmangel zu befürchten sei, dass die Politik die Substitution ärztlicher Aufgaben und die Übertragung auf andere Berufsgruppen in den Blick nehmen werde.

Südwürttembergs Kammerpräsidentin Dr. Sophia Blankenhorn ging in Reutlingen unter anderem auf die Krankenhausreform ein. Ihrer Meinung nach werde sich das Problem der sich stetig verschlechternden Versorgung der Bevölkerung im ländlichen Raum aber leider eher verstärken als verbessern. Das neue Vergütungssystem mit der Absenkung der Fallpauschalen werde wohl durchaus dazu beitragen, die Kliniken vom Druck zu befreien, immer mehr Patientinnen und Patienten behandeln zu müssen, um rentabel zu sein. Und die stärkere medizinische Spezialisierung sei vom Grundsatz her auch zu begrüßen. 

Was ihr aber Sorge bereite, sei die Frage, ob die Reform das befürchtete Kliniksterben im ländlichen Raum abwenden könne. „Ob gerade im ländlichen Raum die kleineren Häuser mit einem geringeren Leistungsangebot (zur Grundversorgung) werden „überleben“ können, halte ich zumindest für zweifelhaft.“ In jedem Fall sei auch die Ärzteschaft elementar betroffen und solle Verantwortung übernehmen: „Wir müssen uns als Experten einbringen und dürfen uns vor allem nicht spalten lassen“, betonte Dr. Blankenhorn.