20. Juli 2024

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Aktueller Lagebericht und wichtige Entscheidungen

Vertreterversammlung der Landesärztekammer

Vertreterversammlung der Landesärztekammer© Landesärztekammer Baden-Württemberg

Kaum ein anderes Thema hatte die Südwest-Ärzteschaft in jüngerer Vergangenheit so sehr beschäftigt und so große öffentliche Diskussionen hervorgerufen: Die geplante Streichung der Zusatzweiterbildung Homöopathie. Bereits vor zwei Jahren – im Sommer 2022 – hatte die Vertreterversammlung der Landesärztekammer die Streichung der Zusatzweiterbildung auf den Weg gebracht. (Dazu auch ein Interview mit Dr. Miller: „Wir bringen ein zweijähriges Verfahren zum Abschluss“.) Es folgte ein gesetzlich genau vorgeschriebener Verfahrensprozess mit Beteiligungsverfahren, Verhältnismäßigkeitsprüfung und öffentlicher Anhörung. Dies alles dauerte seine Zeit. Nun – bei der diesjährigen Sommersitzung der Vertreterversammlung auf dem Stuttgarter Messegelände – war der Weg endlich frei und die Delegierten konnten ihre mit Spannung erwartete finale Entscheidung treffen.

Streichung der Zusatzweiterbildung Homöopathie

Und tatsächlich: Die klare Mehrheit der gewählten Delegierten aus allen Landesteilen stimmte dafür, die Zusatzweiterbildung Homöopathie aus der Weiterbildungsordnung der Landesärztekammer zu streichen. Dies hat zur Folge, dass die Zusatzweiterbildung von der Landesärztekammer künftig nicht mehr zertifiziert wird; Ärztinnen und Ärzte können sie damit künftig nicht mehr absolvieren. Im nächsten Schritt wird das Sozialministerium als Rechtsaufsicht prüfen, ob die formalen Anforderungen im gesamten Verfahren eingehalten wurden. Erst nach Genehmigung des Ministeriums kann die entsprechende Satzungsänderung im ÄBW veröffentlicht werden und anschließend in Kraft treten.

Was bei der Entscheidung mit zu bedenken ist: Die Behandlung von Patientinnen und Patienten in Baden-Württemberg mit Methoden und/oder Mitteln der Homöopathie wird weiterhin möglich sein. Ferner können Ärztinnen und Ärzte im Land weiterhin Fortbildungen zu homöopathischen Behandlungsweisen, Methoden und Mitteln absolvieren.  Und wer als Ärztin/Arzt die Zusatzweiterbildung Homöopathie bereits erworben hat oder sich zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Satzungsänderung in dieser Weiterbildung befindet, kann sie auch nach der Streichung beibehalten beziehungsweise abschließen.

Vor dem Beschluss hatten sich die Abgeordneten in der Sitzung darauf verständigt, zentrale Argumente für und gegen eine Streichung nochmals Revue passieren zu lassen. Die Diskussion war von Sachlichkeit geprägt. Explizit lobten die Delegierten dabei auch den Kammervorstand, der stets für ein faires, professionelles und für alle Seiten offenes Verfahren gesorgt habe.

Aktueller Lagebericht 

Aber auch abseits der Homöopathie gab es viel, über das diskutiert und berichtet werden musste. Dr. Wolfgang Miller, Präsident der Landesärztekammer, führte in seinem Bericht zur Lage einige zentrale gesundheitspolitische Problemfelder an. Die Situation sei aufgeheizt und unübersichtlich, die Arbeitsbelastung und bürokratischen Hürden inzwischen überbordend, kritisierte Dr. Miller die gesundheitspolitischen Rahmenbedingungen, mit denen die Ärzteschaft nach wie vor konfrontiert ist. Das Problem sei dabei auch, dass Ärztinnen und Ärzte von manchen Bürgern und Politikern gern als Problemverursacher ausgemacht würden, die – nach deren Ansicht – „einfach nicht mehr so arbeiteten, wie es sich gehöre“. Dies entspreche keinesfalls den Tatsachen, stellte Dr. Miller klar, vielmehr gehöre es fest zum ärztlichen Alltag, über den Vollzeitjob hinaus, selbstverständlich Notfallpatienten zu versorgen und kurzfristig einzuspringen, wenn Kolleginnen oder Kollegen ausfallen.

Um die Situation zu verbessern, sei es nötig, das Gesundheitswesen intelligenter zu organisieren, ärztliche Arbeitskraft effizienter einzusetzen und für gezieltere Unterstützung durch Technik und IT zu sorgen, so Dr. Miller. Der Kammerpräsident führte den Delegierten auch vor Augen, welch wichtige Rolle die Ärztekammer beim Voranbringen der Versorgung spielt. Etwa in Sachen Digitalisierung, indem die Kammer als erste Ärztekammer bundesweit Fortbildungen zur KI angeboten und in den Kammerräumlichkeiten ein Anwenderzentrum eingerichtet hat, das digitale Anwendungen und Prozesse für Mitglieder „im geschützten Raum“ konkret erleb- und ausprobierbar macht. Oder bei der Fachkräftegewinnung, indem die Kammer mit Jobcentern kooperiert, ein Projekt zur Auszubildendengewinnung aus dem Ausland begleitet und ihre Beteiligung bei den Kenntnisprüfungen ausbaut, um ausländische Ärztinnen und Ärzte in die Versorgung zu bringen.

Auch politische Vernetzung sei essenziell, um voranzukommen, betonte Dr. Miller. Er verwies auf den neuen Notarztindikationskatalog und das neue Rettungsdienstgesetz, an denen die Kammer mitgearbeitet und ärztliches Know-how zur Verfügung gestellt hat. Trotz aller Schwierigkeiten gelte es, weiter aktiv mitzugestalten und zu handeln, brachte der Kammerpräsident seine Botschaft unter dem Applaus der Delegierten auf den Punkt.

Änderung der Weiterbildungsordnung

Abgesehen von der Streichung der Zusatzweiterbildung Homöopathie hatten die Delegierten über zahlreiche Detailänderungen in der geltenden Weiterbildungsordnung zu entscheiden, die Carsten Mohrhardt als Co-Vorsitzender des Weiterbildungsausschusses vorstellte. Im nächsten Schritt wird die Landesärztekammer eine Verhältnismäßigkeitsprüfung durchführen. Danach werden die Satzungsänderungen (vom 12. August bis zum 1. September) zusammen mit der Verhältnismäßigkeitsprüfung auf der Website der Landesärztekammer veröffentlicht, um betroffenen Interessenträgern Gelegenheit zu geben, ihren Standpunkt darzulegen. Im Anschluss werden mögliche Eingaben gesichtet und geprüft. Die endgültige Abstimmung über die Satzungsänderungen soll anschließend in der Herbst-Vertreterversammlung im November stattfinden.

Finanzen und Selbstanalyse

Nach einer ausführlichen Darstellung des Jahresabschlusses 2023 durch Berichterstatter Dr. Ullrich Mohr entlastete die Vertreterversammlung den Vorstand; der Jahresabschluss wird in einer der nächsten Ausgaben des ÄBW veröffentlicht. Rechnungsführerin Dr. Gisa Weißgerber gab den Delegierten zudem einen Finanz-Zwischenbericht für das laufende Rechnungsjahr. Aktuelle Hochrechnungen gehen von einer passgenauen Planung aus. Für das Jahr 2025 gab sich Dr. Weißgerber vorsichtig optimistisch und prognostizierte eine Stabilisierung.

Durch die gestiegenen Aufgaben und auch Nachholeffekte nach der Pandemie wurde für das Jahr 2024 der Beitrag angehoben. Kammerpräsident Dr. Miller gab den Delegierten nun einen ausführlichen Zwischenbericht über die Kostenstruktur und über die ergriffenen Stabilisierungsmaßnahmen. Zunächst werden die Faktoren Personal, IT und Gebühren analysiert; bereits vor zwei Jahren hatte die Vertreterversammlung eine Modernisierung der internen Finanzregeln der Kammer beschlossen. Die diesbezüglichen Arbeiten laufen seit geraumer Zeit parallel zur umfangreichen Kammerarbeit.

Klimaschutz und Nachhaltigkeit

Der Klimaschutzbeauftragte Dr. Robin Maitra gab den Abgeordneten anschließend ein „Update“ in Sachen Klima-Engagement der Landesärztekammer. Denn die ärztliche Standesvertretung hat sich zum Ziel gesetzt, in Zeiten des Klimawandels die Nachhaltigkeit voranzubringen, den CO2-Abdruck in den Einrichtungen der Kammer so gering wie möglich zu halten und im Rahmen des Bevölkerungsschutzes für die gesundheitlichen Gefahren der Klimakrise zu sensibilisieren – das Ärzteparlament hatte hierfür einst den Auftrag erteilt.

Indem Dr. Maitra den Delegierten nun den neuen Nachhaltigkeitsbericht vorlegte, zeigte er auf, was sich in der letzten Zeit getan hatte. Ersichtlich wurde, dass die Kammer unter anderem in Sachen Strom- und CO2-Verbrauch (Umstellung auf Ökostrom, Vermeidung von Fahrtwegen etc.), Gebäudemanagement (Gebäudetechnik, Umbau, Bepflanzung etc.) sowie Büromanagement (Papierverbrauch etc.) dem Ziel zu mehr Nachhaltigkeit in vielen großen und kleinen Schritten wieder ein Stück nähergekommen war.

Zudem konnte Dr. Maitra auf öffentlichkeitswirksame Erfolge in Sachen „Kampf fürs Klima“ verweisen: So stellte er den Abgeordneten, die in der anschließenden Debatte interessiert nachfragten, die Beteiligung der Ärztekammer an der Ausarbeitung des ersten Hitzeaktionsplans mit konkreten Schutzmaßnahmen in Baden-Württemberg für den Landkreis Ludwigsburg vor. Und er machte auf das von der Landesärztekammer mitgegründete Aktionsbündnis zum Schutz vor gesundheitlichen Auswirkungen von Hitze aufmerksam, das unter anderem durch die Mitarbeit am „Hitzeaktionstag“ von sich reden macht.

Zusammengefasst zeigte das baden-württembergische Ärzteparlament auch in diesem Jahr wieder, dass es Herausforderungen nicht scheut und eingeschlagene Wege konsequent weiterverfolgt.  


Entschließungen

Die Vertreterversammlung fasste mehrere Entschließungen, die wir aus Platzgründen nur stark verkürzt wiedergeben. Alle Beschlüsse sind jedoch in Kürze im Volltext auf der Website der Landesärztekammer Baden-Württemberg nachlesbar (www.aerztekammer-bw.de/entschliessungen).

Jugendarbeitsschutz-Untersuchung: Die Landesregierung wurde aufgefordert, für eine auskömmliche Honorierung der Jugendarbeitsschutz-Untersuchung zu sorgen.

Notfallversorgung: Die Pläne des Bundesgesundheitsministers zur Notdienstreform dürfen nicht zulasten der Ärztinnen und Ärzten in Praxen und Kliniken gehen.

Mündliche Prüfungen: Die Landesregierung wurde aufgefordert, die Vergütungsgrundlage beim 3. Abschnitt der Ärztlichen Prüfung anzupassen.

Ärztliche Personalbemessung: Die Landesregierung wurde aufgefordert, bei der Krankenhausplanung zukünftig eine ausreichende personelle Besetzung zwingend vorzusehen.

Ärztliche Weiterbildung: Bei der Krankenhausplanung soll sichergestellt werden, dass die Krankenhäuser für junge Ärztinnen und Ärzte als Weiterbildungsstätten attraktiv bleiben.

Arbeitszeitgesetz: Die Landesregierung wurde aufgefordert, bei der Krankenhausplanung sicherzustellen, dass das Arbeitszeitgesetz in Krankenhäusern eingehalten wird.

Investitionskosten der Krankenhäuser: Die Landesregierung wurde aufgefordert, die Investitionskosten der Krankenhäuser vollumfänglich zu finanzieren.

Hitzeaktionspläne: Die Landesregierung wurde aufgefordert, gesundheitsbezogene Hitzeaktionspläne zu erstellen beziehungsweise vorhandene Pläne anzupassen.

Klimatransformation: Die Landesregierung wurde aufgefordert, Einrichtungen des Gesundheitswesens bei der Reduktion von Treibhausgas-Emissionen zu unterstützen.

Geflüchtete: Die Landesregierung wurde aufgefordert, auf eine flächendeckende Versorgung Geflüchteter mit einer elektronischen Gesundheitskarte hinzuwirken.

Menschen ohne Krankenversicherung: Die Förderung von Modellprojekten zur medizinischen Versorgung von Menschen ohne gültigen Krankenversicherungsschutz wurde begrüßt.

Methodenpluralismus: Die Landesärztekammer bekannte sich zum Grundsatz der ärztlichen Therapiefreiheit und dem Methodenpluralismus als Grundpfeiler freiberuflicher ärztlicher Arbeit.

#positivarbeiten: Die Initiative #positivarbeiten der Deutschen Aidshilfe wurde unterstützt.